Sind Marketingportale profitabel?

Der Aufbau einer Investitionsrechung (Return-On-Investment, ROI) für IT-Systeme

Bei der Investitionsrechnung werden Einsparungen, die sich aus dem Einsatz des Marketingportals ergeben, den Kosten gegenübergestellt und ein Überschuss oder Fehlbetrag ermittelt. © Melaschuk-Medien

Für den Einsatz von Marketingportalen mit dem Fokus auf Handels- bzw. Regionalmarketing gibt es eine Reihe von Pro-Argumenten: die Einhaltung des Corporate-Design, Einsparung von Grafikkosten, Transparenz der Marketingaktivitäten, kürzere Produktionszeiten durch Automatisierung oder auch die zeitliche und räumliche flexible Verfügbarkeit.

Eine fundierte wirtschaftliche Bewertung findet jedoch in vielen Fällen nicht statt. Die anzuwendende Methode erscheint unklar und es mangelt an Informationen und Daten, die relativ aufwendig zu beschaffen wären.

Dieser Beitrag beschreibt die Vorgehensweise einer Investitionsrechnung, im Folgenden auch landläufig Return-On-Investment (ROI)-Rechnung genannt, anhand eines anonymen Fallbeispiels.

Inhalte:

Ausgangssituation

Ein Konsumgüter-Hersteller mit internationalem Vertrieb, 9.000 Mitarbeitern sowie 100 Niederlassungen und Importeuren weltweit, möchte ein Marketingportal einsetzen, um die dezentralen Werbemittel-Bestellungen effizienter abzuwickeln.

Pro Jahr werden 1.400 Werbemittel-Aufträge, darunter Anzeigen, Aufsteller, Plakate, davon bis zu 1.000 Adaptionen, in Zusammenarbeit mit der Agentur ausgeführt. Bei den Adaptionen handelt es sich oft um geringfügige Anpassungen, wie etwa Text- oder Bildänderungen. Für jede Adaption beauftragt das zentrale Marketing die Agentur, die die Adaption ausführt und wieder an das Zentralmarketing zurücksendet. Auch wenn die finalen Auftragsdaten bereits an eine Niederlassung gesendet wurden, kann es erneut zu Korrekturwünschen kommen. Die Kommunikation mit den Werbemittel-Bestellern übernimmt das zentrale Marketing.

Der Ist-Ablauf der ROI-Rechnung für ein Marketingportal

Soll-Ablauf

Durch den Einsatz eines Marketingportals soll das zentrale Marketing von dem aufwendigen Management der Werbemittel-Bestellungen entlastet werden.

Die Agentur soll die Template-Erstellung und Bereitstellung im Marketingportal in Abstimmung mit dem zentralen Marketing übernehmen. Geplant ist weiter, dass die Niederlassungen und Importeure die Templates im zentralen System aufrufen, selbstständig Text- und Bildänderungen durchführen und nach einer eventuellen Freigabe durch das Zentralmarketing entweder Download-PDF-Druckdateien oder Zugriff auf das Reporting von Online-Marketingmaßnahmen erhalten.

Der Soll-Ablauf der ROI-Rechnung für ein Marketingportal

Aufgabenstellung und Berechnungsgrundlagen

Mit der ROI-Rechnung soll ermittelt werden, welcher Wert aus dem eingesetzten Kapital der Investition für ein Marketingportal zurückfließt und wie lange die Amortisationsdauer ist. Zusätzlich sollen die Zeiteinsparungen ausgewertet werden.

Für die Investitionsrechnung werden folgende Rahmenbedingungen zugrunde gelegt:

  • 5 Betriebsjahre, plus das Jahr der Einrichtung, wobei die laufenden Kosten ab dem ersten Betriebsjahr gerechnet werden.
  • Ansteigende Nutzung des Marketingportals pro Jahr mit 200, 600, 800 und 1.000 Werbemittel-Bestellungen über den Zeitverlauf.
  • Die Stundensätze für interne Mitarbeiter im Marketing werden mit 50 Euro, für externe Agenturmitarbeiter mit 70 Euro veranschlagt.
  • Beim Ist-Ablauf werden 1,5 Korrekturläufe pro Werbemittel angenommen.
  • Der Kapitalkostensatz wird mit 5 Prozent angenommen.
  • Steuern und Abschreibungen werden nicht berücksichtigt.

Struktur der ROI-Rechnung

Kosten

Die Kosten setzen sich aus den einmaligen und laufenden Kosten pro Jahr zusammen. Die einmaligen Kosten in Höhe von 48.000 Euro betreffen die Einrichtung (Implementierung), die im ersten Jahr wirksam werden. Die laufenden Kosten für Lizenz, Wartung, Hosting, Support, Vorlagenerstellung und Personal sind mit 67.000 Euro pro Jahr veranschlagt.

Einsparungen

Den Ist- und Sollzeiten, die gegenübergestellt werden, liegen Detailabläufe und Erfahrungswerte zugrunde, die mit den Kostensätzen multipliziert werden. Wichtig ist, dass die Daten realistisch sind und beispielsweise keine Urlaubs- oder Fehlzeiten von Personal beinhalten. Die Werte können auch durch pauschale Angaben ersetzt werden, wenn keine differenzierten Informationen vorliegen oder Agenturkosten pauschal abgegolten werden.

Ist- und Soll-Detailabläufe der ROI-Rechnung für Marketingportale
Struktur der ROI-Rechnung für Marketingportale an einem Fallbeispiel

Ergebnisrechnung

Ergebnisrechnung Kosten

Für die Ergebnisrechnung werden die Einsparungen den Kosten pro Jahr gegenübergestellt und mit dem Kapitalkostensatz bewertet. Nach dem zweiten Betriebsjahr kann ein Überschuss in Höhe von 4.263 Euro festgestellt werden.

Im Endergebnis wird nach 5 Betriebsjahren ein Kapitalwert von 24.248 Euro erwirtschaftet und die Amortisationsdauer beträgt über 4 Jahre.

Ergebnisübersicht der ROI-Rechnung für Marketingportale

Ergebnisrechnung Zeit

Die Zeiten „intern“ und „extern“ beinhalten sowohl die Zeitaufwendungen im Unternehmen intern als auch solche, die durch die externe Agentur verursacht sind.

Durch den Einsatz des Marketingportals ergeben sich bereits ab dem ersten Betriebsjahr Zeiteinsparungen im Unternehmen intern in Höhe von 19 Arbeitstagen bis zu 93 Arbeitstagen ab dem vierten Betriebsjahr. Die Durchlaufzeit für die Auftragsabwicklung kann ab dem vierten Betriebsjahr um 240 Tage reduziert werden (rund 2 Stunden je Werbemittel).

Zeiteinsparungen in der ROI-Rechnung für Marketingportale

Fazit

Die Bewertung dieser Investitionsrechnung ist nicht allgemeingültig, sondern gilt für die vorgestellten variablen Parameter, die Momentaufnahmen sind und agile Prozesse nicht abbilden. Dennoch kann die Investitionsrechnung ein wichtiger Baustein für die Entscheidungsfindung sein.

Obwohl die Kosten relativ niedrig angesetzt wurden, ist es grundsätzlich schwierig, relevante Überschüsse zu erwirtschaften. Druck- und Mediendienstleister haben hier einen Vorteil, wenn Mandantenportale angeboten und die Kosten auf mehrere Kunden „verteilt“ werden.

Interessanter erscheinen die Zeiteinsparungen, die einen günstigen „Time to Market“-Effekt haben können und sich durch den zeitzonen-unabhängigen Einsatz in internationalen Märkten noch verstärken.

Darüber hinaus sind die Einhaltung des Corporate Design oder Ausweitung des Werbemittel-Angebots bei gleichzeitiger Transparenz durch zentrales Reporting wichtige Motive für den Betrieb von Marketingportalen.

Melaschuk-Medien berät Unternehmen anbieterneutral bei der Auswahl der passenden Systeme. Zu den Beratungsleistungen von Melaschuk-Medien.

Der Beitrag basiert auf dem Vortrag „Kosten sparen im Multichannel-Publishing“ von Ira Melaschuk, der am 6.10.2021 anlässlich des 10. PRIINT Day 2021 der priint Group / WERK II im Landschaftspark Duisburg-Nord gehalten wurde.

Literaturhinweis:
Ralph Brugger, der IT Business Case, 2. Auflage, Springer-Verlag Berlin Heidelberg

Autorin: Ira Melaschuk
Datum: 26. August 2022